Das Pferd im Coaching

Im pferdegestützten Coaching ermöglicht das Pferd auf vielfältige Weise unsere Selbstreflexion. Im gezielten Umgang mit dem Pferd können wir etwas über uns erfahren, über unser Denken und Fühlen und unsere (unbewussten) Verhaltensweisen. Auch unser Auftreten und dessen Wirkung auf andere wird durch die Tiere verdeutlicht.

Pferde

Pferde untereinander

Pferde leben als Herdentiere in ausgeprägten Sozialstrukturen. Jedes Tier verinnerlicht in der Herde „soziale Regeln“, die das Zusammenleben regulieren und Konflikte vermeiden. Freilebende Pferde sind als Beutetiere auf ein reibungsloses Miteinander in der Herde angewiesen, um ihr Überleben zu gewährleisten. Auch bei unseren domestizierten Pferden können wir noch diese Verhaltensweisen und Instinkte beobachten.

Pferdeherden sind hierarchisch strukturiert, d.h. jedes Tier hat seinen Rang in der Herde. Der Rang entscheidet sich immer individuell zwischen 2 Pferden und muss nicht linear sein. Das ranghöhere Tier frisst beispielsweise zuerst bzw. entscheidet, wer neben ihm einen Platz am Futter einnehmen darf, nimmt bei Hitze den angenehmsten Platz im Schatten ein, etc.
Ranghohe Tiere sind Meister in Sachen Führung. Sie stellen aufgrund ihrer Klarheit, Souveränität und inneren Stärke eine geachtete Autorität dar. Die Aufgaben freilebender Leittiere sind vielfältig: Sie leiten und beschützen die Herde, sorgen für Ordnung und Ruhe, übernehmen Erziehungsaufgaben und treffen wichtige Entscheidungen, um das Überleben der Herde zu sichern.

Pferde kommunizieren untereinander und auch mit uns Menschen über Körpersprache und immer direkt und eindeutig. Die Mimik, der Ausdruck des Körpers und die Muskelspannung sind von elementarer Bedeutung. Aber auch die Positionen, die Pferde untereinander einnehmen, geben Aufschluß über ihren Rang in der Herde und sind Ausdruck der Kommunikation.

Pferde und Menschen

Pferde sind in der Regel sanfte und hochsensible Tiere mit sehr ausgeprägten Sinnen. „Im Laufe des Domestikationsprozesses hat sich das Wahrnehmungssystem des Pferdes auf Körpersignale von Menschen verfeinert, sodass sie unmittelbar auf den menschlichen Ausdruck reagieren können“ (Opgen-Rhein, Carolin. Wirkungsweisen pferdegestützter Therapie. 11-22, 2011).

Im Kontakt zu uns Menschen nehmen Pferde unsere non-verbalen Botschaften, also unsere Körperhaltung, unsere Mimik, unseren Muskeltonus und die Art und Weise wie wir uns ihnen nähern wahr und reagieren darauf. Pferde reagieren also nicht auf das Gesagte, sondern grundsätzlich auf das „Gemeinte“, also auf unsere innere und äußere Haltung und auf unsere unausgesprochenen Botschaften. Pferde merken, ob Menschen ihre Absichten eindeutig vertreten. In einer Studie konnte nachgewiesen werden, dass Pferde unseren Herzschlag wahrnehmen können. Ebenfalls sind sie in der Lage, Emotionen zu erfassen. Basierend auf unserem Auftreten ordnen Pferde uns ein. Diese Einordnung entscheidet u.a. über die Qualität der Pferd-Mensch-Beziehung

Pferde

Pferde als Sozialpartner

In der Literatur ist häufig die Rede vom „hohen Aufforderungscharakter“ des Pferdes. Pferde nehmen Kontakt zu uns Menschen auf und ermöglichen ein aktives Handeln: sie lassen sich pflegen, sich führen, versorgen, reiten, man kann ihnen etwas beibringen, und vieles mehr. Pferde gehen in Beziehung zu uns und teilen sich uns mit. Hierbei sind sie unvoreingenommen (Äußerlichkeiten und Status spielen für sie keine Rolle), sie geben Zuwendung und Wärme, sind nicht nachtragend, sind nicht sozial angepasst, also immer „echt“, sie können Akzeptanz und Bestätigung spenden, das Bindungsbedürfnis befriedigen, Ruhe ausstrahlen und vieles mehr. Pferde können das Erleben vielfältiger Emotionen wie Neugier und Freude, aber auch Ängste und Ärger etc. in uns auslösen. Ihr hoher Aufforderungscharakter und ihre Fähigkeit, in Beziehung zu treten, macht Pferde zu einem wertvollen Partner im Coaching.

Pferde geben Rückmeldungen

Pferde teilen sich immer mit, z.B. durch einen aufmerksamen Blick, zufriedenes Mitgehen, Nervosität, Stehenbleiben, durch das Ohrenspiel, das Kräuseln der Nüstern, die Kopfhaltung, u.v.m. Diese Rückmeldungen können in ganz unterschiedlichen Übungseinheiten, z.B. beim Führen des Pferdes durch einen Hindernisparcours, genutzt werden. Pferde reagieren sehr fein auf Änderungen der Körperhaltung und des Muskeltonus. Sie reagieren somit auf den Führenden, aber auch auf Umwelteinflüsse (Hindernisse, Wind, Geräusche, u.v.m.).
Eine Aufgabe des Coaches ist es, die Mitteilungen des Pferdes, die sich auch in kleinen Veränderungen des Körperausdrucks zeigen können, zu „übersetzen“. Nimmt das Pferd den Führenden ernst? Lässt es sich willig führen / lenken / leiten? Ist der Führende in seinen Botschaften klar, konsequent, freundlich, durchsetzungsfähig, usw. Und fühlt sich das Pferd wohl?

Ein Beispiel:
Vor Jahren arbeitete ich mit einer Führungsperson und meiner sensiblen Stute Chilli. Er führte Chilli zielstrebig durch den selbst errichteten Parcours. In der Reflexion zeigte sich der Mann überaus zufrieden. Ich forderte ihn aufhin auf, in einem 2. Durchgang auf die Rückmeldungen des Pferdes zu achten und darauf zu reagieren. Nun erst nahm der Mann Chillis zurückgelegte Ohren und ihre gekräuselte Nase wahr und ernst. Chilli war zwar gefolgt, aber weder motiviert noch zufrieden. Im weiteren Verlauf des Coachings trainierte er, das richtige Maß zu finden, um das Pferd zu einer engagierten, freudigen Mitarbeit zu motivieren. Im anschließenden Transfer übertrug er die mit dem Pferd gemachen Erfahrungen auf Bereiche seiner Arbeitswelt.
Da wir Menschen oft in gleichbleibenden Mustern denken und handeln, können unsere Verhaltensmuster auch in Aufgabenstellungen mit dem Pferd sichtbar werden. Auch Inkongruenzen zwischen der inneren Überzeugung und dem eigenen Auftreten können sichtbar und spürbar werden, z.B. eine überspielte Unsicherheit.

Da Pferde im menschlichen Sinne weder kalkulieren, nachtragend oder berechnend sind, und sich auch nicht am materiellen Status oder an Äußerlichkeiten aufhalten, reagieren sie schlicht und einfach darauf, wie wir ihnen entgegentreten.

Pferde

Pferde als Übungspartner

Mit dem Pferd als Übungspartner kann das Verhaltensrepertoire erweitert und trainiert werden.
Ein Beispiel: Eine Kundin zeigte sich beim Führen des Pferdes sehr vorsichtig. Da sie dem Tier nicht „wehtun“ und es „nicht zwingen“ wollte, verhielt sich sich eher passiv. Das Pferd beschloß nach kürzester Zeit, sich seinem primären Bedürfnis zuzuwenden, nämlich dem Grasen. Es sengte den Kopf und zupfte an dem kurzen Gras. Trotz der Bemühungen der Frau machte es keine Anstalten, mit ihr zu gehen. Wir besprachen die Notwendigkeit des sich Durchsetzens und wie es angemessen zu bewerkstelligen wäre. Durch Anleitung veränderte die Frau nun ihre Körperhaltung, trat zielgerichtet auf und konnte das Pferd zum weiter gehen bewegen. Im weiteren Verlauf des pferdegestützten Coachings trainierte die Frau ihre neue Rolle, achtete hierbei auf ihre Körperhaltung und die Klarheit ihrer Botschaften. Ein wesentlicher Bestandteil des Coachings war die Auseinandersetzung mit den Gefühlen, die durch die Übung in ihr ausgelöst wurden.

Fähigkeiten wie Eindeutigkeit, Führung, Durchsetzung, konsequentes Handeln, Standhaftigkeit, Wertschätzung, Zielgerichtetheit, Empathiefähigkeit, Angemessenheit u.v.m. können mit Pferden trainiert werden.

Unterschiedliche Führungsstile können erprobt werden, bis es sich für den Kunden stimmig anfühlt. Die Reaktionen des Pferdes geben eine direkte Rückmeldung. Wird mit verschiedenen Pferden gearbeitet, können evtl. Unterschiede in den Reaktionen der Pferde wahrgenommen werden, die eine zusätzliche Perspektive eröffnen.

Pferde eignen sich im Coaching hervorragend als Rückmeldungsgeber und somit als Trainingspartner zur Einübung von Körpersprache, Auftreten und der Wirksamkeit unseres Handelns.

Immer wieder berichten Menschen, dass die unvoreingenommenen Reaktionen des Pferdes besser angenommen werden können als die Rückmeldungen von Menschen.

Pferde können neue Perspektiven eröffnen

Im Coaching können Pferde ganz unterschiedlich und auf vielfältige Weise eingesetzt werden. Der Einsatz des Pferdes kann helfen, Dinge anders oder klarer zu sehen und neue Perspektiven zu erkennen.

Hier ein Beispiel:
Ein Mann kam bezüglich einer Entscheidungsfindung zu mir. Er zog für sich 2 Möglichkeiten in Betracht. Ich fragte ihn, ob er Lust hätte, die Möglichkeiten mit Bodenarbeitsmaterial, das wir in der Arbeit mit Pferden einsetzen, zu visualisieren (Pylonen, Gassen, Planen, Reifen, kleine Sprünge, …). Der Mann baute daraufhin eine Gasse mit vielen Hindernissen darin auf. Sie stand symbolisch für den anstrengenden, herausfordernden Weg, an dessen Ende aber das erwünschte Ziel stand. Außerdem baute er einen Endlosweg in Form eines Kreises. Dieser stand für „sich im Kreis drehen“, „auf der Stelle treten“, aber auch für „im Vertrauten bleiben und nichts wagen müssen“. Nun fragte ich ihn, ob er beide Wege mit dem Pferd, das er sich ausgesucht hatte, gehen wolle. Er führte Chilli in den Kreis. Nach 1,5 Umrundungen blieb mein gut erzogenes und leichtführiges Pferd stehen und machte keine Anstalten mehr, weiter zu gehen. Ich fragte ihn, wie er das deute und er erwiderte, es wäre ja auch blödsinnig hier endlos im Kreis zu gehen. Vor der Hindernisgasse schien er Respekt zu haben. Ich ermutigte ihn, auf das Pferd zu vertrauen. Er könne auch jederzeit abbrechen. Nun führte er Chilli in die Gasse. Hier zeigte sich Chilli nicht zögerlich. Als Westernpferd hebt sie nicht sehr gerne ihre Beine, somit kickte sie störende Gassen und Pylonen einfach weg und ging zielstrebig durch die Gasse. Mit dieser Reaktion des Pferdes hatte der Mann nicht gerechnet. Er zeigte sich überrascht und erfreut. In weiteren Durchgängen arbeiteten wir daran, das Ziel im Auge zu behalten, einen Schritt nach dem anderen zu gehen und Hindernisse nicht überzubewerten. Chilli stand ihm als zuverlässige Begleiterin an der Seite. Der Mann konnte die gemachten Erfahrungen auf seine Fragestellung übertragen und im weiteren Coaching die „echten Hindernisse“ anders einordnen. Seine Entscheidung war gefallen!

Pferde

Unsere Pferde

Unsere Pferde leben artgerecht in einer kleinen Herde im Offenstall mit großen Weiden. Sie haben viel Platz, um ihren natürlichen Bedürfnissen nach Bewegung, Grasen, Ruhen und Sozialkontakten nachzukommen. Im Kontakt zu uns Menschen sind sie freundlich. Alle Pferde sind ausgebildet, aber nicht dressiert. Das heißt, sie reagieren pferdespezifisch auf uns Menschen.